Alles Fake – Ein trauriger Monat für die Robotik

In der vergangenen Woche fand das European Robotics Forum statt. Dabei handelt es sich um eine Networking-Veranstaltung, bei denen aktuelle und zukünftige Trends in der europäischen Forschungslandschaft diskutiert werden. Einem Blick ins Programm der Veranstaltung verrät bereits einen guten Überblick, was die deutsche Robotik Gemeinde umtreibt. Ein wesentlicher Aspekt ist es, die Verknüpfung zwischen Wahrnehmung und Handlung in Robotern zu verbessern. Es geht darum, einen Roboter in die Lage zu versetzen, komplexe Bewegungen und Manipulationsaufgaben, die einen hohen Grad an Geschick erfordern, selbstständig oder durch Demonstration zu erlernen und zu adaptieren.

In meinen Augen ist das ein hochspannendes Thema, in dessen Kontext ich vor etwas längerer Zeit bereits auf nachfolgende beeindruckende Videos aufmerksam geworden bin:

Das Video zeigt, wie ein Mensch einem Roboter das Tischtennis Spielen demonstriert. Anschließend erprobt und verbessert der Roboter selbstständig seine Fähigkeiten. Schließlich, spielt der Roboter Tischtennis mit einem Menschen.

Der Tischtennis Demonstrator ist meiner Ansicht nach sehr gut geeignet um Forschungsergebnisse dieser Art darzustellen. Es gibt viele Freiheitsgrade. Die Dynamik der Aufgabe ist hoch und fordernd. Eine Tischtennisplatte hat vertretbare Abmessungen, sodass sich der Demonstrator in einem Labor gut realisieren lässt. Das Spiel mit einem echten Menschen ist nicht planbar. Es kommt zu unvorhersehbaren Ballwechseln. Daher demonstriert das Experiment prinzipell sehr gut die Generalisierungsfähigkeit aber auch die Grenzen entwickelter Algorithmen.

Hohe Erwartungen

Im Februar kündigte der Roboterhersteller KUKA mit nachfolgendem Video ein Tischtennis Duell zwischen einem KUKA Roboter und dem Tischtennisprofi Timo Boll an.

Vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten Forschungsarbeiten war ich natürlich freudig gespannt auf das Event. Und damit war ich nicht allein. Aus den Kommentaren:

  • „Hmm…ein Fake wird es nicht sein, glaube aber nicht das der Bot den Hauch einer Chance gegen Boll hat, sobald der mit Topspin angreift. […]“
  • „Fantastic. Cant wait to see this in action…“
  • „Well…never thought I’d be so hyped for a ping pong match!“

Auf IEEE Spectrum News schreibt Evan Ackermann: „Wow, Kuka wouldn’t have set this whole thing up unless it was actually going to be a good match! Maybe we’ll see some amazing feats of high speed robot arms, vision systems, and motion tracking!“

Ernüchterung

Die geschürte Erwartung bestand in einem tatsächlichen „Duell“ im Sinne eines echten Spiels zwischen Mensch und Roboter. In meinem durchaus robotisch geprägten Umfeld wurden rege Diskussionen geführt, wie das hypothetische Match ausgehen würde. Ebenso wurden Vermutungen über technische Realisierungen diskutiert. Die oben angesprochenen Forschungsergebnisse haben die prinzipielle Machbarkeit ja bereits vor einiger Zeit demonstriert. Bis hier her: schöne Arbeit seitens des Marketings. Das mit Spannung erwartete Duell war in aller Munde. Am 10.03. erschien dann das ernüchternde Video:

Für sich genommen ein nettes Werbe-Video. Aber nicht das angekündigte Spiel zwischen Mensch und Maschine. Nur ein mit Spezialeffekten voll gepumpter Trickfilm. Die Story: erst dominiert der Roboter, dann reißt Timo das Ergebnis noch einmal mit spektakulären Spielzügen rum. Die wohl beabsichtigte Botschaft des Roboterherstellers wird am Ende noch einmal explizit formuliert:

„Not the best in table tennis. But probably the best in robotics.“

Die in meinem Umfeld gespiegelte Botschaft fiel eher anders aus. Sie war mehr von Enttäuschung geprägt. Herauszuhören war zusammenfassend: „KUKA hat ein Duell versprochen, aber nur einen Trickfilm geliefert.“ Auch das spiegelt sich in den sozialen Netzwerken wieder:

  • „Agreed, great idea for marketing, but poorly developed“
  • „I was so excited to see a duel between a robot and a world champion in table tennis. Expectations were like Kasparov vs Deep Blue, right? Turns out it’s just a very well shot but fake commercial.“

Evan Ackermann trifft auf IEEE Spectrum News den Nagel auf den Kopf: „But the encounter wasn’t the „robot vs. human duel“ we were promised. What Kuka gave us instead is an overproduced, highly edited commercial that, in our view, will puzzle (rather than amaze) those of us who follow robotics technology closely.“

In meinen Augen eine verpasste Chance, Menschen zu begeistern und durch technologische Leistung zu überzeugen.

Zu allem Überfluss erschien diese Woche dann ein weiteres Fake-Video (dieses Mal nicht von KUKA) von einem Tischtennisroboter, der angeblich in einer heimischen Garage realisiert wurde:

In der Beschreibung zum Video steht: „Nach ca. 2 Jahren Entwicklungsarbeit habe ich mit meinem Freund Michael nun unseren selbst gebauten Tischtennis Roboter soweit fertig gestellt, dass man mit ihm schon ordentliche Ballwechsel spielen kann.“ Leider ist das Video offensichtlich montiert, wie einige aufmerksame Kommentatoren anmerken:

  • „It is fake, look at 1:09! You can see that the camera in the upper right of the garage door is in front of the table tennis racket because it was added to the footage later.“
  • „Had me fooled until the close up at 2:20. Those movements don’t seem real, and it seems weird that every movement has the same sound even tough the speeds are different and so are the moves.“

Vieles davon finden wir auf Mikrokontroller.net wieder:

https://www.mikrocontroller.net/attachment/210215/busted.jpg
camera in the upper right of the garage door is in front of the table tennis racket

Als Trickfilm-Projekt ist das Video sicherlich überzeugend gut gemacht. Das belegen auch die zum Teil auch emotional aufgeladenen Diskussionen zur Echtheit des dargestellten Experiments…

Zwei Aspekte haben mich schließlich zur Wahl des Titels für diesen Blogeintrag bewegt:

Enttäuschung

Beide Videos, das von KUKA und das Garagen-Video, haben eine unglaublich rasante Verbreitung in den sozialen Netzwerken erfahren. Für den geneigten Robotik-Laien, so befürchte ich, mag allerdings durch beide Videos ein falscher Eindruck von dem entstehen, was Roboter heute leisten können. Die damit verbundenen komplexen Problemstellungen hat Arne in einem früheren Blogeintrag bereits ausführlich thematisiert.

Darüber hinaus erscheint Tischtennis als Demonstrator für die eingangs beschriebenen Forschungsprojekte erst einmal verbraucht. Bei jeder zukünftigen Demonstration des Experiments und jedem neuen Video dazu schwingt zunächst einmal unterschwellig mit: „Schau mal, da hat wieder einer so getan, als könnte er mit einem Roboter Tischtennis spielen“. Vielleicht fällt ja jemandem ein alternativer, hinsichtlich Komplexität, Anzahl der Freiheitsgrade und Realisierbarkeit im Labormaßstab vergleichbarer alternativer Demonstrator ein?

Aus robotischer Sicht finde ich die Ereignisse in Summe also sehr schade und komme zu dem Schluss: dies war ein trauriger Monat für die Robotik.

7 thoughts on “Alles Fake – Ein trauriger Monat für die Robotik

  1. Hallo Jörn,

    schön geschrieben! Und ja: Insgesamt eigentlich traurig. Aber ich weiß noch nicht, ob ich enttäuscht oder erleichtert bin: Mein Prof. drängt uns schon lange, einen Tischtennis-Roboter zu realisieren, aber wir haben es für eine riesen Herausforderung gehalten und uns bisher „zurückgehalten“.
    Als dann KUKA und das Garagenvideo aufgekommen sind, hatte ich Angst, dass wir technisch hinterher hängen. Daher nun meine Erleichterung, dass beide Videos nicht viel mit Tischtennis zu tun haben.
    Andererseits sehe ich es genau wie Du: Es weckt völlig falsche Erwartungen in nicht-Robotikern.
    Siehe Paketauslieferung per „Luftpost“: Frag mal Kollegen, die sich mit Flugdrohenen beschäftigen, was sie von den Versprechungen von Amazon und Co halten 😉

    Grüße,
    Andreas

  2. Sigh. Traurig. Leider wahr. Es ist ja schon bezeichnend, dass andere Leute (wie wir) schon genötigt sind bei ihren Demo-Videos BETONEN (!) zu müssen, dass etwas W I H I I R K L I C H funktioniert.
    @Andreas: Ich befürchte leider, der Zug ist (für die Öffentlichkeit) abgefahren, was schade auch für Peters‘ Lab ist (die sich damit super ernsthaft auseinander setzen). Meine Erfahrung: Wenn die Leute einmal „wissen“ dass irgendein Roboter etwas „kann“, dann ist das Problem gelöst. Und zwar wihiirklich. So die Wahrnehmung. An der Stelle versagt nicht nur die wissenschaftliche Vernunft oft gegen Marketing und Geltungsbedürfnis — sondern viel zu oft auch echter Wissenschaftsjournalismus gegen Drama und Sensation.
    Hinzufügen möchte ich, dass ich mich bei dem Video nicht nur als Robotiker unwohl fühle. Sondern auch als Sportler (was MACHT Timo Boll da???).

  3. Hallo Andreas,

    eine Möglichkeit sehe ich noch, das ganze ins positive zu lenken. Es müsste – ähnlich wie beim Roboter-Fußball – hieraus eine Wettkampf-Liga entstehen, bei der Wissenschaftler zunächst ihre Roboter gegeneinander an die Tischkante schicken.

    Aber das erfordert Koordination auf höherer Ebene und eine kritische Masse an *echten* Tischtennis Robotern.

  4. Es geht vielen Leute, die solche Videos produzieren, um Aufmerksamkeit und so ein „Tischtennis-Roboter“ wäre eine echte Sensation. Schade das alles nur Fake ist…aber vll. gibt ja demnächst (in 20 Jahren?) so ein Tischtennis-Roboter 😉

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