„Spirit Remains Silent at Troy“

Knapp 30 Kilometer hat der Mars-Rover Spirit auf der Oberfläche des Mars zurückgelegt. Über sechs Jahre lang ist er aktiv gewesen, hat neue Felsformationen und Krater erkundet und unzählige neue Daten für die Forscher der NASA und aller Welt zu liefern. Ende Mai hat die NASA einen letzten erfolglosen Versuch unternommen, Kontakt mit dem Roboter aufzunehmen und hat am 25. Mai 2011 den Mars-Rover Spirit aufgegeben.

/images/blog/rover_spirit_sandkasten.jpg
Test-Sandkasten der JPL

Spirit hatte sich bereits im April 2009 im Sand so sehr festgefahrenen, dass er sich nicht mehr heraus­fahren ließ. Unter der Kam­pagne Free Spirit ver­such­te das Jet Pro­pulsion La­bo­ra­tory (JPL) der NASA, der Be­trei­ber der Mars-Rover, öf­fent­lich­keits­wirk­sam den Mars-Rover wie­der los­zu­fah­ren. In Laboren auf der Erde wurde eine exakte Kopie der Stelle nach­ge­baut, an der Spirit fest­steht und mit einem Roboter-Double zahl­reiche Ma­nö­ver nach­ge­stellt. Als dies auch bis Anfang 2010 keine Früchte trug be­schloss man, den Rover fortan an sta­tio­näre For­schungs­ba­sis zu ver­wen­den. Dazu mus­ste man ihn im fest­ge­fah­re­nen Sand noch derart bewegen, dass die Son­nen­segel mög­lichst gut zur Sonne stehen, damit der Rover im damals kom­men­den marsianischen Win­ter genug Ener­gie behielt, um die empfind­liche Elek­tro­nik zu hei­zen.

Leider waren auch diese Versuche nicht er­folg­reich. Wie die Status­mel­dun­gen im Mis­sions­log­buch der NASA zeigen, blieben jeg­liche Kontakt­ver­suche über die letz­ten Mo­na­te er­folg­los: Spirit Remains Silent at Troy.

Trotz des Mis­sions­en­des kann man die Lei­stung der NASA-In­genieure nicht hoch genug schät­zen. Erstens, da das Ge­schwis­ter­ge­fährt Opportunity weiter munter unter­wegs ist, Daten sam­melt und erst anfang diesen Monats, am 1. Juni, den wich­ti­gen Mei­len­stein von 30 ge­fah­re­nen Kilo­me­tern ein­ge­ris­sen hat. Und zwei­tens auf­grund der un­glaub­lichen Leistung, einen Ro­bo­ter in einer realen Um­ge­bung, außer­halb von Laboren und in diesem Fall sogar noch in einem weit­gehend neuen und un­er­forsch­ten Umgebung, über sechs Jahre semi-autonom zu betreiben.

Wer selbst mit Robotern ar­bei­tet weiß, dass es selbst unter Labor­be­dingun­gen un­end­lich müh­sam ist, eine kleine Demonstration des Roboters über wenige Minu­ten robust, stabil und re­pro­du­zier­bar lau­fen zu las­sen. Im Fal­le des Mars-Rovers ist die­se Auf­gabe in meh­re­re Größen­ord­nun­gen schwie­ri­ger:

  • Die angepeilte Zeitspanne von 90 Tagen Laufzeit ist un­ge­heuer lang. Die tat­säch­liche Lauf­zeit von sechs Jahren (und wer weiß, wie lange Oppor­tu­nity noch durch­hält) ist un­glaub­lich.
  • Der Roboter bewegt sich in der echten Welt, nicht unter Labor­bedingungen. Das bedeutet widrige, un­be­kan­nte und sich ver­än­dern­de Be­din­gun­gen. Hin­der­nis­se, die um­fahren werden müssen, neue Situatio­nen, auf die neu ein­ge­gan­gen werden muss, usw.
  • Nicht nur die un­bekan­nten, selbst die gut bekan­nten Be­din­gun­gen des Mars sind widrig genug, um einem Robotiker die Schweiß­per­len auf die Stirn zu trei­ben:
    Extrem schwan­ken­de Tem­pe­ra­tu­ren, Sand­stürme, herum­lie­gen­de Fels­brocken, wech­seln­de Boden­beschaf­fen­heit und wechseln­des Ter­rain.
  • usw. …

Insgesamt haben JPL und die NASA mit dieser Mis­sion gezeigt, warum sie nach wie vor Welt­spitze in der Raum­fahrt sind und dass sie durchaus mit den Millar­den Forschungs­gel­dern etwas an­zu­fan­gen wis­sen.

Bye, bye, Spirit!

Kauftipp: Plug and Pray auf DVD

/images/blog/plugandpray-dvd-cover.jpg
Plug&Pray auf DVD

Im letz­ten Jahr habe ich bereits zum Ki­no­start den Film Plug & Pray empfohlen. Ver­gan­ge­nen Frei­tag nun ist der Film Plug & Pray auf DVD erschienen (Affi­liate-Link). Ein hoch-in­te­res­san­ter Do­ku­men­ta­tions­film zur ak­tu­el­len Ro­bo­tik-For­schung mit Aus­schnit­ten aus For­schungs­in­sti­tu­ten aus al­ler Welt. Im­mer wie­der un­ter­bro­chen durch die in­te­res­san­ten, kri­ti­schen An­sich­ten des wun­der­ba­ren und lei­der in­zwi­schen ver­stor­be­nen Joseph Weizenbaum.

Klare Kaufempfehlung!

Nachtrag: Regisseur Jens Schanze macht mich darauf aufmerksam, dass es auf der Film-Website http://www.plugandpray-film.de nicht nur eine DVD-Sonderedition mit Bonusmaterial und verschiedenen Sprachen gibt, sondern dort auch ein größerer Teil der Erlöse direkt an die Filemmacher fließt. Jens Schanze schreibt über die Sonderedition:

Plug & Pray DVD Special Edition – enthält bisher unveröffentlichte Szenen mit Joseph Weizenbaum, iCub und Robovie sowie ein exklusives Interview mit dem Regisseur Jens Schanze. Originalversion mit Untertiteln in Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Russisch

Also besser hier kaufen. Und hier nochmal der Trailer:

Trailer zu Plug&Pray

Plug and Pray

Im nächsten Monat, am 11. November, wird der Film Plug & Pray in die deutschen Kinos kommen. Ich hatte schon vor einigen Wochen das Vergnügen, den Film in trauter Runde während der iCub Summer School zu sehen, von der auch Szenen im Film zu sehen sind (unter anderem mit dem Slogan des Filmes „Dafür werden wir alle exkommuniziert“).

/images/blog/plugandpray.jpg
Der iCub im Film „Plug & Pray“

Die Visionen, die heutzutage wegen fortschreitender Technik rund um die künstliche Intelligenz und die Robotik entstehen, sind längst auf dem Level der Science-Fiction des letzten Jahrhunderts angekommen. Auch wenn es technisch an so vielen Stellen noch hapert, sind diese Visionen auch in der Forschung präsent. So wird im Film zum Beispiel Hiroshi Ishiguro gezeigt, der sich einen Roboter nach seinem Abbild geschaffen hat, den Geminoid. Oder der iCub, der einem Kind nachgebildet ist und wie ein Kind lernen und seine Umgebung entdecken soll. Oder Ray Kurzweil, seit Jahren in den USA gefeierter Visionär, der seit einiger Zeit die baldige Verschmelzung von Mensch und Maschine und das menschgemachte Vorantreiben der Evolution predigt.

Plug & Pray ist ein Dokumentarfilm und stellt aktuelle Visionen, Über­zeu­gun­gen und den Alltag von Forschungsinstituten und Wis­sen­schaft­lern weltweit vor, die sich mit künstlicher Intelligenz und Robotik beschäftigen. Durch die schonungslose und gut recherchierte Dar­stellung der Szene und den zum Teil von den Wissenschaftlern leichtfertig vorgetragenen Fantasien ist der Film durchaus provokant und vielleicht sogar verängstigend. Er nimmt dabei allerdings seine dar­gestellten Protagonisten ernst, bleibt menschlich und liebevoll, ist niemals reißerisch und lässt Platz zum Nachdenken.

Anstrengend wird der Film dadurch nicht, dass er nie wirklich technisch wird und vor allem durch den wunderbaren, mittlerweile leider verstorbenen Joseph Weizenbaum, einem der Computerwissenschaftler des letzten Jahrhunderts, der mit Humor und scharfem Verstand den roten Faden des Filmes bildet. Immer wieder sind Interviewschnipsel und Alltagsszenen mit ihm eingestreut, die die zum Teil verstörenden Szenen einordnen und in der normalen Welt erden. Dass dies ausgerechnet einem Com­pu­ter­wis­sen­schaft­ler gelingt, der mit ELIZA (Wikipedia) einen der Meilensteine der künstlichen Intelligenz geschaffen hat, ist erstaunlich und beruhigend zugleich.

Gut recherchiert, nachdenklich, humorvoll und mit durchdachter Einordnung der gesellschaftlichen Relevanz ist Plug & Pray ein Film für Menschen vom Fach, Technik-Interessierte und jeden, den ein Zweig unserer Zukunft interessiert, der gerade rasant entsteht und der immer noch ziemlich un­be­re­chen­bar ist.

Trailer zum Film „Plug & Pray“

Anschauen dringend empfohlen.

PLUG & PRAY ist erschütternd und packend. Joseph Weizenbaum, mit der Gabe des Humors ausgestattet, verkörpert den gesunden Menschenverstand, während um ihn herum der Wahnsinn geadelt wird.“

Hans-Peter Dürr, Kernphysiker

Filmkritik von Nino Klingler bei critic.de